St. Georg`s Weg
-von der "Kaiserhofloge"
-zur
"Grünenden Fichte"
-zur Gegenwart
Gesamttext der Festschrift "Die Kaiserhofloge"
Inhaltsverzeichnis
Wenn Sie wenig Muße haben: Klicken Sie auf die interessierenden Abschnitte
I. Historisches Umfeld und Gründung
Europa im 18.Jahrhundert
Freimaurerei in Hamburg vor 1743
Der Weg zum ersten Meister
II. Die Entwicklung über 250 Jahre
Stürmischer Aufschwung und Verwirrungen
Strikte Observanz
Die Protektoren
Das Rededuell Sieveking - Schröder
Georg Heinrich Sieveking
1790-1933
Die Zeit ab 1933
Der Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg
Nach dem Wiederaufbau
III. Die Gegenwart
Struktur
der Loge
Freimaurerische Caritas
I. Historisches Umfeld und Gründung
Europa im 18.Jahrhundert
Es war die Zeit als
- gerade Voltaire's "Philosophische Briefe" erschienen waren,
- Benjamin Franklin an "Der arme Richard" arbeitete,
- John Wesley der Begründer der Methodisten Bewegung seine
Psalmen und Hymnen dichtete,
- Thomas Paine der Vorkämpfer für die politische Unabhängig-
keit der Vereinigten Staaten geboren wurde,
- der deutsche Philosoph Immanuel Kant 19 Jahre zählte,
- Lessing vierzehn Jahre alt war,
- Wieland soeben seinen zehnten Geburtstag feierte und
- es bis zur Geburt von Johann Wolfgang von Goethe noch sechs
Jahre dauern sollte.
- Die Universität Göttingen wurde gegründet,
- Knobelsdorff baute für den jungen Preußenkönig Friedrich II.
Schlösser,
- der begnadete Geigenbauer Antonio Stradivari starb und
- in Frankreich wurden die dort bereits bestehenden Freimau-
rerlogen verboten.
Das war die Zeit, als in Hamburg eine zweite Freimaurerloge
gegründet wurde.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Freimaurerei in Hamburg vor 1743
Es ist eine belegte Tatsache, daß am 6. Dezember 1737 die
erste Freimaurerloge auf deutschem Boden gegründet wurde, und
zwar die "Loge d´Hambourg" im Weinlokal "d'Angleterre" in der
Bäckerstraße.
Freimaurer, die im Ausland aufgenommen worden waren, gab es
bereits vorher. Das englische Konstitutionsbuch erwähnt, daß
der Großmeister der Großloge von London und Westminster, der
Herzog von Norfolk, einen Herrn du Thom zum Provinzialgroßmei-
ster von Niedersachsen ernannt habe. Dieser Monsieur du Thom
wurde identifiziert als der Preußische Geheimrat Friedrich von
Thom, der am Hof Georgs I. und Georgs II. von England als au-
ßerordentlicher Gesandter die Herzogtümer Braunschweig-Lüne-
burg und Sachsen-Gotha vertrat und Mitglied der Royal Society
war, in der mehrere Freimaurer Mitglied waren. Wir wissen
auch, daß Friedrich von Thoms am 6.November 1729 in London zum
Freimaurer aufgenommen worden war. Es gibt sogar ein Porträt
von ihm, das 1736 der Freimaurer und Kupferstecher John Faber
anfertigte.
Friedrich von Thoms wurde 1697 geboren und war nach seinem
Jurastudium Reisebegleiter des Reichsfreiherrn vom Stein. In
dem erwähnten Konstitutionenbuch der Großloge von London und
Westminster heißt es auf Seite 194, daß der Großmeister, der
Graf von Strathmore. in Jahre 1733 elf guten Brüdern die Voll-
macht erteilt habe, in Hamburg eine Loge zu gründen. Die Ab-
sicht einer Gründung ist unverkennbar, aber historische Belege
für eine Gründung sind nicht vorhanden.
Wir wissen, daß es in Hamburg zwei Lokale gab, in denen
sich damals Freimaurer trafen: Das Weinlokal des Herrn Arbien
"d'Angleterre" in der Bäckerstraße und der "Kaiserhof" ein Ho-
tel am Neß, dort wo heute die Commerzbank ihre Hamburger Zen-
trale hat.
Es ist anzunehmen, daß Friedrich von Thoms mit den Brüdern
sowohl in dem einen wie dem anderen Lokal zusammentraf.
Auf alle Fälle gehörte der mit Leder und Gerbereiartikeln
handelnde Kaufmann Johann Daniel Kraft zu denen, die sich in
der Bäckerstraße versammelten.
Kraft war beruflich viel auf Reisen - in England und in
Frankreich - und wird schon vor dem 18. Dezember 1736 in Paris
als Mitglied der "Loge à la Ville Tonnere"geführt. Er muß un-
ter den Freimaurern Ansehen genossen haben, denn am 6. Dezem-
ber 1737 wählte man ihn sogleich zum ersten Aufseher der ge-
rade gegründeten Loge. Die Protokolle weisen nach, daß er die
Arbeiten seiner Loge regelmäßig besucht hat.
Er war es dann, der am 24. September 1743 Mitgründer der
Loge "St.Georg" war, und von demselben Jahr an bekleidete er
auch das Amt des Großschatzmeisters der Provinzial-Großloge.
Die im Lokal "Kaiserhof" schon vor 1733 zusammengekommenen
Freimaurer wollten ebenfalls als richtige Loge anerkannt wer-
den und wandten sich daher an die Loge d'Hambourg. Diese gab
das Gesuch weiter an den seit 1741 im Amt befindlichen Provin-
zialgroßmeister Luttmann. Der ging nach dem üblichen System
vor: Die antragstellenden Freimaurer mußten sich zunächst bei
der Loge d'Hambourg neu aufnehmen lassen, und dann konnten sie
die neues Loge gründen. Fünf der Antragsteller hatten sich am
20. und am 30. August 1743 der Neuaufnahme unterzogen. Zu Ih-
nen traten weitere fünfzehn Mitglieder, unter Ihnen der Mit-
stifter Johann Daniel Krafft.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Der Weg zum ersten Meister
Bereits am 5. August 1743 hatte sich in einer Versammlung der 1737 gegründeten Loge d' Hambourg - später in "Absalom" umbenannt - ein Oberst von Osten als "Großmeister" der "Loge auf dem Kaiserhof" vorgestellt und um Vereinigung der beiden Logen ersucht.
Als der damalige Provinzialgroßmeister Luttmann den "Absalom"- Brüdern anderntags mitteilte, daß von Osten sich nicht als rechter Freimaurer habe ausweisen können, ließen die
"Kaiserhof"-Brüder ihn fallen und wählten den Wirt ihres
Versammlungshauses, einen Francois Guillaumot, zu ihrem Meister vom
Stuhl, der aber nur unvollkommen deutsch sprach. Dieser hatte dann ebenfalls - mit einem Schreiben vom 12. August 1743 - die Anerkennung der "Kaiserhof-Loge" begehrt. Das Ersuchen wurde aber abschlägig beschieden, weil keine konkreten Angaben über die Aufnahme zum Freimaurer gemacht worden waren. Guillaumot
hatte lediglich erklärt, von einem Manne namens Sauer im Beisein eines Meisters und fünf Lehrlingen aufgenommen zu sein.
Am 20. August 1743 wurde er dann unter dem Versprechen aufgenommen, künftig keine Aufnahmen mehr durchzuführen.
Am 16. September 1743 wurden dann fünf weitere Mitglieder der "Kaiserhof-Loge" in der Loge "Absalom" zu Freimaurern
aufgenommen. Diese können als die ersten Mitglieder der Loge "St. Georg" angesehen werden. Es waren Michael Zimbert Preusser - Julius von Stralenheim - Wilhelm Leberecht - Baron von Proeck
und Hieron ymus Bermegau. Jetzt wurde den Brüdern der
"Kaiserhof-Loge" erklärt, daß die Loge anerkannt wird, wenn ein
befähigter Meister zum Meister vom Stuhl gewählt würde, aber nicht Guillaumot, und eine genügende Anzahl von
"Absalom"- Brüdern als Zweitmitglied beitreten und den Bestand der
"Kaiserhof-Loge" gewährleisten.
Auf Vorschlag des Provinzialgroßmeisters Luttmann wählten diese Brüder dann den Br. Molinié zum Meister vom Stuhl. Zuvor hatte er in der Loge "Absalom" des Amt des 2. Aufsehers
innegehabt.
Endlich stand einer Einsetzung der Loge nichts mehr im Wege. Provinzialgroßmeister Luttmann versammelte sich am 24. Septem-
ber 1743 mit Brüdern in Br. Arbiens Weinhaus "d'Angleterre" in der Bäckerstraße, und von dort gingen sie zum
"Kaiserhof" auf dem Ness, wo die Einsetzung der zweiten gerechten und vollkommenen Loge in Hamburg und Niedersachsen gemäß der Eintragung in London als "Lodge St. George Emperor's Court Hamburgh No. 196" eingetragen.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
II. Die Entwicklung über 250 Jahre
Bis zum Ende des Gründungsjahres wurden noch 16 Suchende
aufgenommen, darunter auch der erwähnte Oberst von Osten. Wie
es damals üblich war, legte der Meister vom Stuhl, Br. Peter
Molinié, nach einem Jahr sein Amt nieder, und ihm folgte Br.
Pierre Texier, der ebenfalls aus der Loge "Absalom" kam. Er
war - im Alter von 26 Jahren - erst 1742 zum Freimaurer aufge-
nommen worden. Unter seiner Hammerführung wurden in seinem
ersten Amtsjahr 27, im zweiten 25 Brüder aufgenommen.
Darauf folgte im Amt Br. Jean Bielfeld, wiederum aus der
Loge "Absalom", wo er das Amt des 1. Aufsehers innegehabt hat-
te.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Stürmischer Aufschwung und Verwirrungen
Im Jahre 1746 gab es noch 12 Aufnahmen, 1747 weitere 7, im
Jahr darauf noch 3, aber 1749 wurde nur noch 1 Suchender auf-
genommen, 1750 noch einmal 2, aber im Jahre 1751 fanden keine
Logenarbeiten mehr statt, 1752 gab es dann noch einmal 2
Zugänge, aber danach stellte die Loge für fünf Jahre die Ar-
beiten völlig ein.
Zwar veranlaßte der Provinzialgroßmeister, daß noch einmal
12 Brüder von der Loge "Absalom" zur Loge "St. Georg"
überwechselten, aber dann kam eine schwere Zeit für die Frei-
maurerei im allgemeinen, aber im besonderen für die Loge " St.
Georg".
Zahlreich entstanden damals Orden und Gemeinschaften, die
die Logenmitglieder verwirrten. Da gab es seit 1765 in Hamburg
zunächst einmal die sogenannte Strikte Observanz, geleitet von
geheimen Oberen mit einer eigenen Ordenstracht, den drei Jo-
hannisgraden, dann den Schottengraden und dem Inneren Orient.
Die Strikte Observanz ist ein - wie viele andere im 18.
Jahrhundert entstandenes - Hochgradsystem, das einen weit über
seinen geistigen Gehalt hinausgehenden Einfluß auf die Frei-
maurerei in Deutschland erlangte. In der Freimaurerei hatte
damals der Gedanke des Templertums Wurzeln geschlagen, der
besagt, daß nach dem Ketzergericht von 1314 der letzte Temp-
lergroßmeister Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen ver-
brannt wurde, die Tempelritter sich verstreuten und in
Schottland im Geheimen in Kapiteln weiter gewirkt haben. Da
die "Strikte Observanz" alles geheim hielt, auch die jeweils
im Grad höheren Mitglieder, stammt aus jener Zeit die Vorstel-
lung, die Freimaurer hätten "geheime Obere".
Ein Johann Christian Schubart war Mitglied der "Strikten
Observanz" und spielte als deren Propagandist in der deutschen
Freimaurerei eine große Rolle. Als "Visitator generalis" pries
er die Segnungen des Tempelrittersystems an. Seine Tätigkeit -
denn er ließ sich seine Arbeit bezahlen - kostete allein die
Hamburger Logen 4.127 Mark Courant, was eine stattliche Summe
darstellte. 1768 zog er sich dann plötzlich aus diesen Akti-
vitäten zurück. 1757 wurde dazu noch eine Esperance-Loge mit
Namen "Irene" errichtet, in die auch Frauen aufgenommen wur-
den. Im Jahr darauf entstand der Orden "Die Kette der Pilgri-
me" und 1759 wurde noch eine Adoptionsloge "Concordia" instal-
liert, die ebenfalls Frauen aufnahm, dann der Orden "Tugend
und Ehre" und schließlich wurde 1756 das sogenannte "Kapitel
von Clermont" gegründet. Sämtlich mit hohem Anspruch, die al-
lein richtige Gemeinschaft mit den wahren Geheimnissen zu
sein, und in den Mitgliederlisten finden wir auch zwei "St.
Georg"-Brüder, Godefredus Jacobus Jaenisch als "Magister Prior
Capituli Hamburg" und Johannes Godefredus ab Exter als "Sub-
stitut Prior Capituli Hamburg". Beide waren von dem Beauftra-
gen der "Strikten Observanz", Johann Christian Schubart, zu
Rittern des Clermontschen Kapitels geschlagen worden. Es waren
aber nicht nur die von den zahlreichen Ordensgründungen ausge-
henden Beunruhigungen und Verunsicherungen, die das damalige
Logenleben belasteten: für die Loge "St. Georg" kam noch eine
weitere hinzu: Während nämlich die Brüder der Loge "Absalom"
ihren Wohnsitz in Hamburg hatten und dadurch eine gute Präsenz
bei den Logenveranstaltungen gewährleistet war, setzte sich
die Mitgliedschaft der zweiten Hamburger Loge vorwiegend aus
Kavalieren und Offizieren zusammen, die Hamburg nur im Vor-
übergehen streiften, dann aber wieder weiterzogen. Typisch
eine Aufstellung aus dem Jahre 1760, als die Loge "St. Georg"
117 Mitglieder zählte. Davon waren 38 "adelige Kavaliere", 3
Grafen, 9 Barone, 31 Herren mit der Standesbezeichnung"von", 6
Offiziere, 12 Gelehrte mit akademischer Bildung und 18 Kauf-
leute.
Oft wird gefragt, wie es denn zu der Bezeichnung "zur grü-
nenden Fichte" gekommen sei. Das erklärt sich aus der Zeit des
Kapitels von Clermont, in dem die dortigen Mitglieder Ritter-
namen zugeteilt bekamen. So hieß der Br. Jaenisch "Eques ab
Urtica" = Ritter von der Nessel und der Br. von Exter hieß
"Eques a Pino virente" = Ritter zur grünenden Fichte
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Strikte Observanz
Die von der "Strikten Observanz" begeisterten Brüder, denen
die Ritterspielerei erhebliches Selbstwertgefühl verlieh, nah-
men jetzt Einfluß auf die beiden Freimaurerlogen in Hamburg.
Und dabei ereignete sich etwas Unerhörtes. Der Br. Jaenisch
gab eine entsprechende Erklärung in der Loge ab, ließ den Tep-
pich beseitigen und die Kerzen löschen, und sowohl die Loge
"Absalom" wie die Loge "St. Georg" wurden kurzerhand auf- ge-
hoben. Der erwähnte Br. Schubart sprach pathetisch die Worte
aus: "Auf ewig ist diese Loge geschlossen", und die anwesenden
Brüder hatten den Raum zu verlassen und sich in einem anderen
Raum wieder zu versammeln, in dem dann der "Commissarius gene-
ralis" Schubart die neuen Logen der Strikten Observanz "Absa-
lom zu den drei Nesseln" und "St. Georg zur grünenden Fichte"
für gegründet erklärte. Also erst im Jahre 1765, und zwar bei
dieser ominösen Umgründung, haben die beiden ersten Hamburger
Logen ihren Zusatznamen erhalten.
Der erste Meister vom Stuhl seit Einführung der "Strikten
Observanz" war Br. Carl Ernst August Lossau. Er zeichnete sich
aber zur Überraschung aller dadurch aus, daß er gegen die Ein-
flüsse der "Strikten Observanz" in den Widerstand ging. Das
währte 2 Jahre, dann legte er den ersten Hammer nieder, weil
die Ordensoberen sich weigerten, über gewisse Dinge der
Ordensführung Auskunft zu geben. Daraufhin blieb die Loge "St.
Georg zur grünenden Fichte" bis zum Jahre 1773 passiv.
Dann aber drängten der Lizentiat Johann Philipp Dresser und
vor allem Johann Joachim Bode, der gemeinsam mit Lessing in
Hamburg eine Druckerei und einen Verlag betrieb, daß die rech-
ten Logenarbeiten wieder aufgenommen werden sollten, und so
vollzog er - als neuer Stuhlmeister der Loge "Absalom zu den
drei Nesseln" - am 29. April 1773 wieder eine Aufnahme, und am
8. Mai desselben Jahres waren es bereits 40 Brüder, die zu den
Arbeiten erschienen. Da man gleichzeitig beide Hamburger Logen
wieder aufbauen wollte, warf man das Los über die 40 Brüder,
so daß jeweils zwanzig jeder der beiden Logen zugewiesen wur-
den. Die Arbeiten fanden im "Eimbeckschen Haus" statt, von wo
man dann zum "Kaiserhof" ging, um gemeinsam die Tafelloge ab-
zuhalten.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Die Protektoren
Der Herzog Ferdinand von Braunschweig führte persönlich den
ersten Hammer bei einer Arbeit der Logen "Absalom" und "St.
Georg" und der am 6. Juli 1774 gegründeten Loge "Emanuel zur
Maienblume", um den französischen Gesandten Baron de la Houze
zum Freimaurer aufzunehmen. Wieso das? Was war los in Hamburgs
Logen?
Inzwischen gab es in Hamburg eine vierte Loge "Ferdinande
Caroline zu den drei Sternen". Diese hatte sich nach den bei-
den Protektoren der deutschen Freimaurerei, dem Herzog Ferdi-
nand von Braunschweig und dem Prinzen Carl von Hessen, be-
nannt. Da man sich weder in der Loge "St. Georg" noch in den
Schwesterlogen auf einen Nachfolger des Brs. Dresser einigen
konnte, wandte man ein originelles Mittel an: Am 28. März 1778
unterstellten sich die vier Hamburger Logen dem Prinzen Carl
von Hessen als ihrem gemeinsamen Meister vom Stuhl.
Der Prinz übernahm das Amt, hatte aber nicht die Absicht,
die täglichen Mühen eines Meisters vom Stuhl auf sich zu neh-
men. Sein Interesse galt mehr der Alchemie mit der Möglichkeit
des Goldmachens. So ernannte er den Br. Vincent von Schiebeler
von der "St. Georg"-Loge als seinen Deputierten für alle vier
Logen, nachdem die anderen Stuhlmeister den Hammer niederge-
legt hatten. Merkwürdige Gebräuche damals. Der Br. von Schie-
beler muß mit viel Engagement bei der Sache gewesen sein, denn
er leitete ab 1778 alle Arbeiten der vier Logen.
Dann hatte es sich der Prinz Carl wieder anders überlegt -
oder er war inzwischen überzeugt worden, daß die Hamburger
Logen nicht von einem Meister allein geführt werden konnten -,
jedenfalls erklärte er am 16. Dezember 1778 in einer von 88
Brüdern besuchten Arbeit der Loge "St. Georg":
"Ich, der Protector und Stuhlmeister der vier Logen, bin
gesonnen, als ein besonderes Merkmal meines Vertrauens zu den
Brüdern und um die alte brüderliche Eintracht wiederherzustel-
len, zu erlauben, daß die Mitglieder der einzelnen Logen ihren
Meister wieder selber wählen können". Bei den sofort vorgenom-
men Wahlen ging der Br. von Schiebeler als Meister vom Stuhl
der Loge "St. Georg" hervor.
Die Logen müssen damals noch keinen so festen Bestand ge-
habt haben und waren sicher satzungsmäßig nicht so in eine
Ordnung eingebunden wie heute, denn am 19. Juni 1783 verfügte
der damalige Obermeister der Altschottischen Loge, Br. von
Exter, der doch den schönen Namen "Ritter zur grünenden Fich-
te" beigelegt bekommen hatte, daß eine Neu- ordnung des Logen-
wesens in Hamburg in Kraft träte, und die Loge "Absalom" mit
der Loge "Emanuel" und die Loge "St. Georg" mit der Loge "Fer-
dinande Caroline" zusammenzuschließen seien. Ob das damit zu-
sammenhing, daß auf dem sogenannten Konvent von Wilhelmsbad
1782 die "Strikte Observanz" zu Grabe getragen worden ist, und
die Logen sich auf ihr früheres Eigenleben besannen, wird
nicht deutlich.
Die Arbeiten der Logen hatten bisher im Privathaus eines
Brs. Schüler stattgefunden, jedoch wurden die Räumlichkeiten
zu eng, und man zog am 19. Mai 1785 in ein an der großen Dreh-
bahn gelegenes eigenes Haus.
Nachdem sich die Zersplitterung in den Logen und logenähn-
lichen Systemen gelegt hatte, strebte man danach, die ehemals
bestandenen Beziehungen zur "Großen Loge von London und West-
minster" wieder herzustellen. Der Vertreter der Londoner Groß-
loge, ein Br. August Gräfe, vermittelte erfolgreich, und so
konnte die Zusammenlegung der vier Logen rückgängig gemacht
werden; jede Loge war wieder selbständig. Am 7. Oktober 1786
wurde die erste eigene Arbeit der "St. Georg"-Loge wieder
durchgeführt. 1789 folgte dem bisherigen Meister vom Stuhl
Johannes Negant der Bruder Georg Sieveking. Das war im Jahre
des Ausbruchs der Französischen Revolution, und das sollte
nicht ohne Folgen für die weitere Logenentwicklung in Hamburg
sein. Bei seiner Amtsübernahme äußerte sich Br. Georg Heinrich
Sieveking - so ist in der Niederschrift zu lesen - wie folgt:
"Br. Sieveking erklärte, wie und auf welche Art er gesonnen
wäre, in der Folgezeit Loge zu halten, und daß er darüber
die Meinung seiner Brüder vernehmen wollte.
Insofern sie insgesamt oder wenigstens 75 Prozent von ihnen
mit seinen Gesinnungen und Grundsätzen übereinstimmen und
dieselben ,approbieren' würden, werde er fernerhin mit
Vergnügen den Hammer führen.
Wo nicht, so müsse er auf die Stelle eines Stuhlmeisters
Verzicht tun.
Er las hierauf seine Ideen und Meinungen über die Freimaure-
rei den Brüdern vor, zeigte, wie wenig Befriedigendes, Nütz-
liches und Angenehmes dieselbe in unseren Logen nicht nur
für ihn wie auch für die Brüder seither gehabt hätte '
Nachdem Br. Sieveking seine Gesinnungen und Grundsätze weit-
gehend dargelegt hatte, ersuchte er die Brüder seiner Loge
nochmals, durch eine freie Wahl über ihn und seine geäußer-
ten Grundsätze zu entscheiden.
Bei der anschließenden Kugelung gaben 12 Brüder eine weiße
und 2 Brüder eine schwarz Kugel ab, worauf Br. Sieveking,für
solchen Beweis ihrer Zuneigung dankte und erklärte, daß er
angesichts dieser Ergebnisse fortan mit Vergnügen den Hammer
führen würde".
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Das Rededuell Sieveking - Schröder
Br. Sieveking hatte mit seinem ersten Auftreten bei seinen
Brüdern Erfolg weil eine allgemeine Unzufriedenheit über den
Druck der Altschottischen Loge und ihrer Meister auf die Ange-
legenheiten der drei blauen Grade entstanden war.
So kam es, daß auch andere Brüder sich scharf gegen das
Regiment und die Ritterspielerei des Schottischen Obermeisters
v. Exter wandten. Dabei muß eine Sache herausgestellt werden,
die Gegenstand lebhafter Diskussionen wurde:
Das Rededuell zwischen Sieveking und Friedrich Ludwig
Schröder, dem damaligen Stuhlmeister der Loge "Emanuel" und
späterem Großmeister.
Br. Sieveking war in seinem Reformeifer aber zu weit gegan-
gen, wenn er verlangte, daß die "Hieroglyphen und Symbole" -
wie er sich ausdrückte - in der Freimaurerei abgeschafft wer-
den müßten und sodann erklärte er die bisherigen Symbole,
Gebräuche und den Eid für Possen.
Friedrich Ludwig Schröder trat dem Br. Sieveking in seiner
Loge " Emanuel" mit seiner berühmt gewordenen Rede über "Sitt-
lichkeit und Gefälligkeit als Urstoff der Freundschaft sowie
über unsere Zeichen und Geheimnisse" entgegen.
In dieser Rede erklärte Schröder, daß die Forderung Sieve-
kings gleichbedeutend mit der Aufhebung der Freimaurerei sei.
Er erinnerte daran, was die Symbole bedeuteten und aus-
drücken sollten, daß schon das Wertvolle dessen, was sie be-
deuteten und lehrten, genüge, um sie nicht zu verwerfen. Wer
etwas Wertvolles wegnehmen wolle, müsse erst dartun, daß das
Neue besser sei als das, was weggenommen würde. Die Symbole
seien nun einmal da und machten den Stoff aus, woraus die gro-
ße Bruderkette geschmiedet würde.
Die Angelegenheit spitzte sich zu einem Kampf zwischen Sie-
veking und Schröder zu; die Rededuelle, an denen sich auch
andere Brüder beteiligten, wurden fortgesetzt.
Schließlich kam es auch zu Angriffen gegen die Altschotti-
schen Logen, deren Brüder teilweise auch den Rosenkreuzern
angehörten, bis Br. Sieveking am 10. April 1790 in der Loge
mit einer Rede das Resultat seiner bisherigen Bemühungen in-
nerhalb der Freimaurerei zusammenzog und den Hammer als Mei-
ster vom Stuhl niederlegte.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Georg Heinrich Sieveking
Er war ein in der Hansestadt angesehener und bekannter
Mann, hat er doch - zusammen mit dem Domherrn Lorenz Meyer -
1786 nach schweizerischem und englischem Vorbild eine Spar-
und Vorschußkasse für Fabrikarbeiter und Handwerker geschaf-
fen.
Georg Heinrich Sieveking war auch Mitglied der renommierten
Montagsgesellschaft, an der nur zwölf Herren teilnahmen. Klop-
stock hatte sie ins Leben gerufen, und neben Sieveking nahmen
unter anderen der Domherr Meyer, der Bürgermeister Caspar
Voght, der Senator Johann Michael Hudtwalcker und Staatsrat
Lawaetz teil.
Der Ausbruch der Französischen Revolution wurde in Hamburg
als das Ende des Absolutismus begrüßt. Am 14. Juli 1790 ver-
anstaltete "St. Georg"-Stuhlmeister Sieveking in Harvestehude
eine aufsehenerregende Revolutionsfeier mit symbolischen Deko-
rationen und Handlungen, Gesang und Rezitationen. An ihr nah-
men rund 80 Personen teil, zumeist Freunde der Familie Sieve-
king, darunter auch Klopstock, dessen Oden vorgetragen wurden.
Im Hause Bruder Sievekings in Neumühlen traf 1796 der vor
den Jakobinern aus Paris geflohene Herzog von Talleyrand ein,
ehe er nach Amerika weiterreiste. Und als die Hansestadt Ham-
burg eine Sondergesandtschaft nach Paris schickte, um eine
Verständigung mit Frankreich herbeizuführen, vertraute sie die
Leitung Georg Heinrich Sieveking an.
Die Elite Hamburgs lebte zu jener Zeit ganz im Geist der
Aufklärung, und zu den bedeutendsten Vertretern dieser Geistes
gehörten der Theologe Reimarus, der Dichter Brockes und der
Baumeister Sonnin. Damals wurde scharfe Bibelkritik geübt, und
Professor Reimarus verfaßte die "Apologie oder Schutzschrift
für die vernünftigen Verehrer Gottes", die Lessing später in
Wolfenbüttel teilweise als "Fragmente eines Ungenannten" ver-
öffentlichte. Auch andere sammelten sich um den Mittelpunkt
Georg Heinrich Sieveking (1751 - 1799), den Meister der Loge
"St. Georg zur grünenden Fichte", der als angesehener Vertre-
ter der Kaufmannschaft neben der Paris-Reise noch manche ande-
re Mission für die Stadt ausführte.
Im Überschwang der Freude, daß durch die Große Revolution
endlich die absolutistische Herrschaft des Adels und des Kle-
rus abgeschafft war, hatte Bruder Sieveking als Meister vom
Stuhl den Vorschlag gemacht, das freimaurerische Ritual wegzu-
lassen und an seine Stelle Aussprachen über Freiheit und
Gleichheit zu setzen, "damit die Vernunft inthronisiert wer-
de", was zu erheblichen Auseinandersetzungen führte, und womit
Sieveking sich letztlich nicht durchsetzen konnte. Es kam zu
jenem Disput mit Friedrich Ludwig Schröder.
Man darf dabei nicht vergessen, daß zu jener Zeit Bemühun-
gen angestellt wurden, über die Rituale die Tempelritterschaft
wieder aufleben zu lassen, und diese vieles enthielten, was
wir heute für untragbar ansehen würden. Friedrich Ludwig
Schröder hat dann durch seine Reformbestrebungen die Rituale
wieder auf Ihr ursprüngliches, nüchternes Maß zurückgeführt.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
1790 - 1933
Br. Sieveking folgten im Amt des Stuhlmeisters 1790 der
Kaufmann Georg Christian Hansen, 1791 der Arzt Georg Bernd
Schuch, 1799 der Kaufmann Rathje Carl Jansen, 1812 der Pastor
Georg Grautoff, 1821 der Kaufmann David Andreas Cohrs und 1824
der Wissenschaftler Dr. Gottlieb Prömmel.
Dann erlebte die Loge "St. Georg" eine Glanzzeit, denn der
begabte Meister vom Stuhl, Peter Otto Heinrich Pepper, lebte
nur für seine Loge. Entsprechend lange übte er sein Amt aus,
nämlich von 1834 bis 1861 und dann noch einmal 1868 bis 1871.
Br. Pepper wurde am 2. Mai 1822 in der Loge "Ferdinand zum
Felsen"zum Freimaurer aufgenommen und hat 51 Jahre den Maurer-
schurz getragen.
Nach seinem Übertritt in die Loge "St. Georg" wurde er 1834
zum Meister vom Stuhl gewählt. Unter seiner Hammerführung ent-
wickelte sich die Loge zur höchsten Blüte äußerer Entfaltung
und freimaurerischer Betätigung.
Sein gewinnender Umgangston, sein sicheres Auftreten, die
Kunst der freien Rede, die Sicherheit in der Beherrschung des
Rituals, die herzliche Verbundenheit zu allen Brüdern, ver-
schaffte ihm nicht nur in seiner Loge "St. Georg" sondern auch
bei den Brüdern der Schwesterlogen Geltung und Ansehen.
Er prägte den Satz: "Die hanseatischen Brüder müssen zusam-
menhalten". In die Amtszeit Br. Peppers fällt die Säkularfeier
im Jahre 1837, die er - in Erinnerung an den Beginn der
deutschen Freimaurerei überhaupt - durch eine eindrucksvolle
und erhebende Feier in seiner Loge begehen ließ: Am Vorabend
veranstaltete er eine "Schlußfeier des 1. Jahrhunderts" bei
der sein ältester Sohn aufgenommen wurde. Ergreifend soll nach
dem Protokoll die Anrede, mit der der Meister vom Stuhl und
Vater den Lehrling und Sohn begrüßte, gewesen sein.
Zu Beginn dieser Festarbeit hatte Br. Pepper dem Großmei-
ster, Br. David Andreas Cords, den Hammer zur Leitung der Ar-
beit überreicht. Das ist alter Brauch. Aber dieser schöne El-
fenbeinhammer stellte ein Geschenk der Loge "St. Georg" an die
"Große Loge von Hamburg" dar.
Unter den Amtsnachfolgern ist Br. Johann Hebarich Fürst,
ein Theaterdirektor, zu nennen, der neben seinem Amt als Mei-
ster vom Stuhl auch noch 20 Jahre Vorsteher des Freimaurer-
Krankenhauses war, 15 Jahre lang "Generalalmosenpfleger" der
"Großen Loge von Hamburg"; außerdem verwaltete er das Archiv
und die Bibliothek.
Auch Br. Georg August Rudolph ist zu nennen, von Beruf
Buchhändler,der durch seine Vorträge und Unterrichtsabende zur
Hebung des geistigen Niveaus beitrug. Er gehörte 1891 zu den
Mitgründern der Loge "Roland" und war dann dort Meister vom
Stuhl von 1906 bis 1917.
Als im Jahr 1890 Br. Otto Westphal den ersten Hammer über-
nahm, wurden die rituellen Arbeiten noch mehr intensiviert,
das freimaurerische Grundwissen vertieft und die Geschichte
der Freimaurerei und ihrer Grundlagen dargestellt, was zur
Folge hatte, daß sich zahlreiche Aufnahmen ergaben, weil die
Brüder Zutrauen zur eignen Loge gewonnen hatten.
Im Sommer 1892 mußten die Arbeiten bis Oktober wegen der in
Hamburg grassierenden Cholera-Epidemie eingestellt werden. Ein
wesentliches Ereignis fiel in die Amtszeit Br. Westphals: Die
Einweihung des neuen Logenhauses an der Welckerstraße, die am
7. Februar 1891 erfolgte. Auch das 150-jährige Bestehen der
Loge "St. Georg zur grünenden Fichte" wurde unter seiner Ham-
merführung festlich begangen.
In Anerkennung seiner Verdienste wurde Br. Westphal Ehren-
mitglied der "Großen Loge von Hamburg", der Loge "Ernst August
zum goldenen Anker" , von "Konrad Ekhof" und mehreren auswärti-
gen Logen.
Das freimaurerische Leben war in den letzten Jahren vor dem
Ersten Weltkrieg in ruhigen Bahnen verlaufen.
[Einschub 2009: Die Loge erlangte 1899 die Rechtsfähigkeit]
Man freute sich
des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs
Deutschlands, war
stolz auf sein Vaterland, aber zugleich nahm der
gesellschaft
liche Aspekt der Logen zu. Der Krieg unterbrach das Leben in
den Logen empfindlich; nur noch selten fanden Aufnahmen statt.
Die Tätigkeit der Brüder beschränkte sich vornehmlich auf Vor-
träge und gesellige Veranstaltungen. Aber die Anstrengungen,
Wohltätigkeit zu üben und Hilfe zu leisten, wo dies erforder-
lich war, vergrößerten sich mit der Dauer des Krieges.
Von 1918 bis 1923 bekleidete dann Br. Max Kutnewsky das Amt
des Meisters vom Stuhl. Obwohl bereits in hohem Alter stehend,
war er ein erfolgreicher Stuhlmeister. 49 Aufnahmen werden aus
seiner Amtszeit gemeldet.
Dann kamen tiefe Einschnitte in das Leben des Deutschen
Volkes: Der Vertrag von Versailles bestimmte, daß Deutschland
nicht nur den Krieg verloren, sondern diesen auch angezettelt
habe. Dann die Inflation mit der nachfolgenden Wirtschaftskri-
se, die Massen an Arbeitslosen und die zunehmende Radikalität
politischer Extremisten auf den Straßen. Obgleich der 1926 zum
Stuhlmeister gewählte Br. Viktor Kafka mit Elan die Brüder für
die freimaurerischen Ideale zu begeistern vermochte, auch das
Zusammengehörigkeitsgefühl stärken konnte, sollte sein Satz
"Nur die Königliche Kunst im weitesten, tiefsten und edelsten
Sinne kann uns vor dem inneren Zerfall retten und eine neue
Zukunft bauen" doch ohne Auswirkung bleiben, denn sowohl die
Verunglimpfungen des verbohrten Herrn von Ludendorff als auch
die Hetzkampagnen der Nationalsozialisten machten den Logen
sehr zu schaffen.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Die Zeit ab 1933
In der Zeit weiteren wirtschaftlichen Niedergangs im Lande
wurde Br. Carl Sattelberg zum Meister vom Stuhl gewählt, aber
er mußte bereits nach 1½ Jahren - 1933 - sein Amt niederlegen
und aus der Loge ausscheiden, denn er war von Beruf Schullei-
ter, und als solcher durfte er keiner Freimaurerloge mehr an-
gehören. Alle im Staatsdienst stehenden Beamten wurden zu je-
ner Zeit aufgefordert, auf einem Fragebogen anzugeben, ob sie
einer Loge angehörten bzw., wann sie ihre Mitgliedschaft auf-
geben werden. Bei Br. Sattelberg trat erschwerend hinzu, daß
der Elternrat seiner Schule ultimativ seinen Austritt aus der
Loge forderte, andernfalls es nicht zuzumuten sei, daß ein
Freimaurer weiterhin die Schulleitung innehabe.
Der zug. Meister, Br. Friedrich Sternemann, übernahm daher
die Leitung der Loge.
Der Großmeister der "Großen Loge von Hamburg" fragte
schriftlich beim regierenden Bürgermeister von Hamburg an, ob
die Logen - trotz der ständigen Angriffe und Verleumdungen
durch die Nationalsozialisten - weiterhin ihrer Arbeit nachge-
hen könnten. Eine Antwort kam nicht.
Darauf schrieb die Großloge am 24. März 1933 an ihre Toch-
terlogen wie folgt:
"Die Ereignisse der letzten Zeit haben in Bezug auf den
Fortbestand der Deutschen Freimaurerei zu beunruhigenden Ge-
rüchten Anlaß gegeben.
Die ,Große Loge von Hamburg' hat in den langen Zeiten ihres
Bestehens stets, in glücklichen und schweren Jahren, auch
unter großen Opfern, im nationalen Sinne gewirkt und gear-
beitet.
In diesem Bewußtsein sieht sie allen Entscheidungen mit Wür-
de und reinem Gewissen entgegen.
Sie bittet Logenleitungen und Bruderschaft, volle Ruhe zu
bewahren und die Anordnungen der Regierung abzuwarten, der
zu folgen sie sich unweigerlich bereit erklärt hat.
Wie bereits in den Briefen des Großmeisters an den jetzigen
Reichskanzler, Herrn Adolf Hitler, und seinen Pressechef,
Herrn Alfred Rosenberg, haben wir auch jetzt Schritte bei
der Reichsregierung unternommen, über deren Ergebnis Sie
bald Kenntnis erhalten werden".
Um den Brüdern in den Logen behilflich zu sein und ihren
teilweise nicht unerheblichen Logenbesitz zu retten, wandelten
sich die verschiedenen Großlogen in sogenannte "Deutsche Or-
den" um und teilten den Mitgliedslogen mit, daß hinfort nie-
mand mehr Freimaurer, sondern künftig Ordensmitglied sei. So
wurde am 13. April 1933 die "Große Loge von Hamburg" in "Deut-
scher Orden e.V." umgewandelt. Und dann folgte etwas, das
nicht nur als den freimaurerischen Grundsätzen entgegenstehend
bezeichnet werden muß, sondern das auch menschlich tief be-
schämend ist: man trennte sich von allen nicht-arischen Mit-
gliedern.
Zu der Zeit deckte auch der zug. Großmeister, Br. Wilhelm
Hintze, seine Loge, weil die "Neuordnung der Amtsverhältnisse
für die Pastoren das erforderlich mache".
Bei den vorbereitenden Beratungen für eine Umwandlung der
"Großen Loge von Hamburg" in einen Orden und dementsprechend
der Logen in "Ordensämter" erklärte sich der zug. Meister der
Loge "St. Georg", Br. Friedrich Sternemann, als damit absolut
nicht einverstanden, ja, er besaß den Mut, die neuen "Verei-
nigten 5 Ordensämter" wegen unberechtiger Umwandlung und Ab-
weichung von der Verfassung der "Großen Loge von Hamburg" so-
gar zu verklagen.
Es kam dann am 19. April 1934 zu einem Convent, der aber
nur von 49 Mitgliedern der "Vereinigten 5 Ordensämter" (der
ehemaligen Vereinigten 5 Logen) und 4 Beobachtern im Auftrage
der Geheimen Staatspolizei besucht war, und die endgültige
Auflösung - nun auch der Ordensämter - wurde beschlossen.
In der Loge "St. Georg" hatte es eine von 37 Brüdern - die
Mitgliederzahl betrug zu dem Zeitpunkt 70 - besuchte außeror-
dentliche Mitgliederversammlung gegeben, und Br. Sternemann
hatte über die Umwandlungsabsicht berichtet. Nur wenige Brüder
beteiligten sich an der anschließenden Debatte, dann wurde
einstimmig die Auflösung beschlossen. Damit hatte die Loge
nach 190-jährigem Bestehen formell aufgehört zu bestehen. Der
Liquidationsausschuß der Loge bestand aus den Brüdern Sterne-
mann, Vollmer und Zehn, später auch Br. Wilhelm Wagener. Die-
ser Aus- schuß kam am 9. Mai 1934 das letztemal zusammen, und
das ist der Tag, der als Schließungstermin anzusehen ist. Nach
erfolgter Abwicklung trafen sich die Brüder nur noch im klei-
nen Kreis, zu dem sich noch die Brüder Sammet, G. O. Meyer und
Dede gesellten.
Dem Br. Otto Atnemann (Loge "Ferdinand zum Felsen") war es
dank seiner guten Beziehungen zu den zur "Großen Loge von Ham-
burg" gehörenden vier Logen in Chile gelungen, Urkunden nach
Südamerika zu verbringen, und Großmeister Bröse, obgleich es
rechtlich die "Große Loge von Hamburg" nicht mehr gab, ließ
diese auf dem Korrespondenzwege nach Chile ins Exil gehen.
Bei der Gelegenheit gelangte auch der Großmeisterhammer,
den die Loge "St. Georg" anläßlich der Säkularfeier im Jahre
1837 gestiftet hatte, nach Chile. Nach Wiederaufnahme der Ar-
beiten im Jahre 1946 brachte der Meister vom Stuhl, Br. Carlos
Hepp, von der Loge "Drei Ringe" 1. O. Santiago den Hammer zu-
rück, mit dem seit dieser Rückgabe alle Arbeiten der Loge "St.
Georg" geleitet werden.
Das Logenhaus in der Welckerstraße wurde auf Befehl der
GESTAPO im Jahre 1937 abgerissen, und zwar mußte jeder einzel-
ne Mauerstein dabei aufgeschlagen werden, weil vermutet wurde,
irgendwo könne man geheimgehaltene Dokumente und landesverrä-
terische Schriften entdecken. Die große Bibliothek wurde be-
schlagnahmt, und die herrlichen Gemälde aller Großmeister der
"Großen Loge von Hamburg" wurden blindwütig zerstört.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Der Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg
Bis auf wenige Stadtteile war Hamburg 1945 eine zerstörte
Stadt. In den Nächten des Juli 1943 wurden insgesamt 1.200
Luftminen, 25.000 Sprengbomben, 3 Millionen Stabbrandbomben
und über 80.000 Phosphorkanister auf die Stadt geworfen, was
einen Flächenbrand von 22 Quadratkilometern verursachte. An
Toten wurden 31.647 Menschen gezählt, an Schwerverletzten
37.214, und rund eine Million Menschen war obdachlos. In den
Kriegsjahren bis 1945 konnte kaum Wiederaufbau geleistet wer-
den, so daß eine schier hoffnungslose Situation gegeben war,
als die ersten Brüder aus ihren Trümmerbehausungen hervorka-
men, sich gegenseitig suchten, und die ersten Logenversammlun-
gen stattfanden.
Anträge an die Britische Militärregierung wegen Wiederauf-
nahme der Logenarbeiten wurden fast 2 Jahre ablehnend beschie-
den.
Aber bereits im Mai 1945 hatten sich die ersten "St.Georg"-
Brüder getroffen, darunter die Brüder Dede und Wagener, und
bald waren es wieder 23 Mitglieder, die sich in ungeheizten
Räumen trafen und - damals noch ohne Genehmigung der Militär-
regierung - in sehr bescheidenem Maß 1946 das Johannisfest
feierten. Die erste Arbeit - gleich verbunden mit zwei Aufnah-
men - fand am 30. Oktober 1947 statt. Bald konnte man in einer
Aula eines Wandsbeker Gymnasiums wieder richtig arbeiten, bis
alle Hamburger Logen ihre Arbeit in die "Erholung" verlegen
und eine maurerische Heimstätte finden konnten. Das Logenleben
erwachte, und im Mai 1950 gab der getreue Br. Wilhelm Wagener
den ersten Hammer an Br. Carl Sattelberg. Die Loge hatte zu
dem Zeitpunkt 49 Mitglieder.
Die gute Zusammenarbeit der erfahrenen Brüder Wagener und
Sattelberg, dazu die ausgezeichneten Musiker Jonel Neiger, Gu-
stav Künzel und der Organist Theodor Kaufmann, ließen die "St.
Georg"-Arbeiten zu genußvollen Stunden werden. Altersbedingt
gab Br. Sattelberg - ich erinnere mich noch an seinen faszi-
nierenden Johannisfest-Vortrag über "Die drei Rosen" - sein
Amt noch einmal für kurze Zeit an Br. Wagener, dann kam ein
Vertreter der jüngeren Generation, der Verwaltungsdirektor des
Freimaurer-Krankenhauses, Br. Josef Fahlbusch, auf den
Meisterstuhl.
Kurze Zeit nach Kriegsende erlebten Hamburgs Freimaurer ein
ganz besonderes Zeichen weltweiter Bruderschaft. Die vier ehe-
mals zur "Großen Loge von Hamburg" gehörenden deutschsprechen-
den Logen in Chile hatten ein gewaltiges Hilfsprogramm gestar-
tet, und bald schon traf eine Schiffsladung nach der anderen
im Hamburger Hafen ein. Viel Kleidung, aber vor allem Lebens-
mittel waren gekommen und wurden an die Logenbrüder und deren
Familien verteilt. Die Tafellogen zu jener Zeit boten zwar nur
Erbsensuppe mit Wurst und Speck, aber was war das damals für
eine Köstlichkeit!
Der Verfasser dieser Schrift bekam am Tage seiner Aufnahme
aus der Chile-Spende einen Mantel und ein Paar Schuhe, und an
der Tafel gab es Linsensuppe satt, ein unglaubliches Erlebnis!
Der neue Meister vom Stuhl, Br. Josef Fahlbusch, nutzte als
Verwaltungsdirektor des Freimaurer-Krankenhauses am Kleinen
Schäferkamp seine Möglichkeiten und sprach mit den männlichen
Patienten, die ihm aus dem Krankenbett heraus geduldig zuhör-
ten, und bald schon war die Loge "St. Georg" auf 152 Brüder
angewachsen, eine Entwicklung, die selbst die beste Loge über-
fordern mußte.
Das "St. Georg"-Mitteilungsblatt wurde gegründet und das
220jährige Bestehen gefeiert. Dann übernahm Br. Wolf Schmincke
den ersten Hammer. Es war seine Aufgabe, die stürmische Ent-
wicklung der Loge in gesetztere Bahnen zu leiten. Der "Runde
Tisch" und die Pflege des freimaurerischen Seminars fielen in
seine Zeit. Br. Schmincke - Stuhlmeister von 1964 bis 1967 und
noch einmal von 1972 bis 1973 - war auch in der Distriktsloge
an verantwortungsvoller Stelle tätig: 3 Jahre als Distrikts-
kanzler und 9 Jahre als zug. Distriktsmeister.
Anfang der 60er Jahre mußte auf Anstoß des Hamburger Senats
ein neuer Großmeister der "Großen Loge von Hamburg" gewählt
werden. Die Forderung kam daher, daß die Großloge ihre Rechts-
fähigkeit vom Senat erhalten hatte.
Da die "Große Loge von Hamburg" am Tage der Vereinigung der
deutschen Großlogen, am 19. Juni 1949, mit ihrer Eingliederung
in der Vereinigten Großloge von Deutschland ihre Selbständig-
keit aufgegeben hatte und daher die satzungsgemäßen Viertel-
jahresversammlungen nicht mehr stattfanden, mußte diese ange-
sehene Großloge nun auch juristisch aufgelöst werden. So wurde
dann Br. Wilhelm Wagener zum letzten Großmeister gewählt mit
der alleinigen Aufgabe, die "Große Loge von Hamburg" dem Senat
gegenüber - nach vorangegangenem Auflösungsbeschluß - als
nicht mehr existent zu melden. Dieses Amt und diese Aufgabe
haben den verdienstvollen Bruder Wagener sehr belastet. Mit
beeindruckender Würde hat er diese Amtshandlung vollzogen.
In die Amtszeit des Stuhlmeisters Wolfgang Meinholt fiel
der Logenhausneubau in der Welckerstraße sowie die große Feier
des 225. Logenjubiläums. Dank der regen Mitarbeit des Brs.
Willy Schwarz wurde das geistige Leben der Loge bereichert.
Außerdem erarbeitete er das Konzept für eine verbesserte Lo-
gensatzung.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Nach dem Wiederaufbau
Am 22. Mai 1974 wurde Br. Hans Meyer-Urban zum Stuhlmeister
gewählt. Während seiner Amtszeit hatte er die schwere Aufgabe,
auf maßvolle Weise die Loge von den Mitgliedern zu "befreien",
die seinerzeit allzu voreilig aufgenommen worden waren und
sich seit längerer Zeit nicht mehr am Logenleben beteiligten.
Dank Br. Meyer-Urbans guter Zusammenarbeit mit seinen Brü-
dern wurde diese recht schwierige Aufgabe zufriedenstellend
bewältigt. Er war ständig voller belebender Ideen, so wurde
der "St. Georg-Fonds" für notleidende Brüder gestiftet.
Außerdem war er im Vorstand der "Friedrich-Ludwig-Schröder--
Kinderstiftung" tätig; heute ist er deren Vorsitzender. Als
sich nach ihm kein Bruder für das Amt des Meisters vom Stuhl
bereit finden konnte, stellte sich Br. Richard Beckmann zur
Verfügung, der als Pianist die Logenarbeiten und Konzertabende
durch seine Kunst bereicherte.
Nach einem Jahr übernahm Br. Herbert Kaeding den ersten
Hammer. Er war kein Mann großer Worte, jegliches Pathos war
ihm fremd, und gerade die Schlichtheit seiner Art bewirkten
eine rege Beteiligung an allen Zusammenkünften. Belebend und
unvergessen waren die geistigen Impulse, die von ihm ausgin-
gen. Leider blieben ihm aber auch die Tiefen im Logenleben
nicht erspart.
Im Jahre 1981 übernahm ein neuer Meister das höchste Amt in
der Loge. 1961 aufgenommen, war er zuvor als Vorstandsmitglied
im Elisabeth-Krankenhaus, als 2.Aufseher und als zug.Meister
tätig gewesen. Er war ein umsichtiges Organisationstalent und
gab der von ihm geführten Loge neue Impulse.
Daneben war er stark in der Entwicklungshilfe engagiert.
Die Zeitschrift "Humanität" berichtete darüber :
"In der Hamburger Loge ,St. Georg zur grünenden Fichte'
wirkte ein Meister vom Stuhl, der Fischwerker-Lehrmeister war.
Er leitete eine der größten Fischfabriken mit über 900 Mitar-
beitern. Natürlich bekam er auch Kontakte zum Ausland und er-
fuhr von der Not und dem Hunger in den unterentwickelten Län-
dern, 1972 reiste er als 50jähriger nach Lesotho /Südafrika.
Hamburger Freimaurer spendeten die Reisekosten und die Unter-
bringung, und ehrenamtlich konnte dieser Freimaurer den Ein-
wohnern im Namen der Welthungerhilfe zeigen, wie man auf das
rationellste mit Fisch umgeht.
In Ghana lag eine Fischfabrik still; er fuhr hin und hat
sie wieder in Gang gebracht. In Peru schließlich, wo keinerlei
Verarbeitungsmaschinen zur Verfügung standen, hat er dafür ge-
sorgt, daß eine bessere Fischverwertung eingeübt wurde und der
Fischtransport rascher und billiger vonstatten ging.
Dank der Mitarbeit seines zug. Meisters war dieser Aus-
landseinsatz möglich, ohne daß die Loge wegen der Abwesenheit
ihres Meisters vom Stuhl Schaden gelitten hätte.
Von Mai 1987 bis Mai 1990 lenkte der bisherige MvSt - nun
als gewählter Meister vom Stuhl die Geschicke der Loge. Grad-
linig und schnörkellos war seine Art, menschliche Wärme
strahlte er aus, und welche Loge gäbe es, der eine solche
Führung nicht gut täte? Aber aus beruflichen Gründen mußte er
sein Amt zur Verfügung stellen und übergab den ersten Hammer
an seinen Nachfolger.
Dieser Mann ohne einsame Entscheidungen, beteiligte die
Bruderschaft an allem, was in der Loge bewegt wird und weiter-
hin bewegt werden sollte. Sein Talent konnte er in den Vorbe-
reitungen zum Fest des 250jährigen Bestehens der Loge "St.
Georg zur grünenden Fichte" unter Beweis stellen.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
III. Die Gegenwart
Seit der 250-Jahr-Feier hatte die Loge acht weitere Stuhl-
meister. Seit 2009 steigt die Mitgliederzahl spürbar. Das Leben in der Loge wird durch den Arbeitsplan bestimmt. Die personelle Struktur, das Durchschnittsalter und die persönlichen Interessen sind bei Gästeaben und frohen Veranstaltungen mit unseren Schwestern erlebbar.
Zurück zum Beginn des
Inhaltsverzeichnisses
Freimaurerische Caritas
Ein Wort noch zu der in der Loge "St. Georg" besonders
gepflegten Wohltätigkeit. Daß die Loge - wie alle der Vereinigten 5
Hamburgischen Logen - sich stets sehr im "Elisabeth-Alten- und
Pflegeheim" und in der "Friedrich-Ludwig-Schröder-Kinderstiftung" engagiert, war allen
Brüdern selbstverständlich. Brachten diese in den ersten
rund 25 Jahren des 20. Jahrhunderts etliche 10.000 Mark auf, so
ist diese Summe in der Gegenwart auf ein mehrfaches für Ver-
wendung zu wohltätigen Zwecken angestiegen.
Durch den "St. Georgs Fonds" werden in Not geratene Brüder unserer Loge unterstützt.
Weiterhin wurden auch tatkräftig unterstützt:
- die Aktion "Menschen für Menschen" (Carl-Heinz Böhm)
- das "Kinder-Krebs-Zentrum Hamburg",
- "Hilfe für Lesotho" im Rahmen der Welthungerhilfe
- das Altenheim in Hamburg-Farmsen,
- der Ausbau des Krankenhauses Sassnitz/Rügen.